Fountain - Michael Niemetz - sculpture - 2012

 

A Fountain, Is A Fountain, Is A Fountain

In Michael Niemetz we find an artist who is highly interested in the secret double life of everyday objects and the relationships they have to their surroundings. For example: He takes two functioning toilets, interconnects them in one closed hydrological cycle, and brings them into the context of the exhibition space. What happens now is highly confusing. When the visitor enters the gallery space he/she can hear the calming sound of burbling water and the first thing they will see, standing prominently in the middle of the room, is the aforementioned toilet fusion. After inspecting the seemingly magical operation of the sculpture, the toilet ensemble becomes a water fountain. An object you normally only encounter in privacy, becomes through its relocation from the private domain to a public arena a very delicate, almost poetic encounter.

 

Fountain - Michael Niemetz - sculpture - 2012

A Fountain is a Fountain is a Fountain, 2012
water fountain, Mixed Media (wood, toilet bowl, toilet tank, piping, water pump)
Size: 50 x 120 x 130 cm

 

Primary Tautologies.1

Ein leises Gluckern strömt durch den Raum und gibt dem der Ausstellungssituation angemessenen Schweigen einen angenehm dezenten Takt. Sichtlich unaufgeregt werkt das verdoppelte Wasserklosett vor sich hin; doch während man noch die beruhigende Wirkung des plätschernden Geräuschs genießt, wird man schon der inhärenten Doppelbödigkeit gewahr: Das notorisch neutrale Weiß des Ausstellungsraums wird plötzlich zum medizinischen Foyer, das Ausstellungsdisplay gerinnt dank Zimmerbrunnenbeschallung zur elitär-grotesken Oberfläche, dem seriös-ernsthaften Pokerface wird ein unvermitteltes Lächeln entlockt. Gleichzeitig steht man fasziniert vor einem scheinbar einfachen Apparat, der den alltäglich im Back-Office ablaufenden Wasserkreislauf wortwörtlich uminszeniert.

Michael Niemetz‘ Arbeiten bewegen sich auf einem Terrain, das sich im Faszinosum des alltäglich Vertrauten gründet und dabei die kunsthistorische Expertise schwungvoll auf eine Achterbahn jagt. Begibt man sich nämlich in die geschichtlichen Tiefen der Kunst, so muss man angesichts der gewählten Motivik nicht tief graben: Der titelgebende Brunnen etwa gilt seit jeher als geistreicher Quell des künstlerischen Genius, auch ohne Marcel Duchamp zu nennen blitzt ein wasserspeiender Bruce Nauman vor dem inneren Auge auf. Die Perfektion des Maschinellen trifft auf die Performanz des Situativen, unversehens reihen sich Jean Tinguely, Roman Signer, Peter Fischli und David Weiss in das Referenzspalier ein. Wie das Stakkato der sich einschaltenden Bezugsfiguren bereits ankündigt, ist es ebenjener Exzess der Referenz-Akkumulation, mit dem Michael Niemetz zu Werke rückt. Die Absurdität historisch informierter Expertise wird konstitutiver Bestandteil der Arbeit. Die geschichtsschreibende Funktion des Matthäus-Effekts – der das Immer-Wieder-Nennen derselben Namen bezeichnet – wird durch die künstlerische Setzung ad absurdum geführt.

Mit überraschender Simplizität stimmt Michael Niemetz in den schnelllebigen Takt des Kunstzirkus ein; er steigt auf das kunsthistorische Karussell mit seiner prestigeträchtigen Beladenheit auf, um dessen unausweichliche Referenzialität mit ironischem Unterton zu paraphrasieren. Beinahe schwindelig steht man nun vor der verdoppelten Fontäne in minimalistisch-monochromem Weiß, die umso unnahbarer erscheint, je länger man sie betrachtet. Gerade in der Obskurität der Situation beginnen die Interferenzen jenes Tautologischen zu flimmern, das den Blick abseits des subjektiv vorprogrammierten schweifen lässt. Dergestalt rückt also die Begegnung mit dem Kunstwerk wieder ins Zentrum, und der Blick wird zum essentiellen Anliegen: Das Objekt – samt seiner historischen und funktionalen Geschichte – ist wieder alleinige Protagonistin, die immer noch dasselbe spricht, aber dabei doch immer etwas Anderes erzählt.

Hanna Brückmüller, 2016

1 Der Titel nimmt Bezug auf die Ausstellung Primary Structures (1966, Jewish Museum, New York, kuratiert von Kynaston McShine), die als wegweisend für die heute sogenannte Minimal Art gilt.